Dietrich Bonhoeffer

Dem Vorschlag des Gemeinderats folgend einigte man sich 1978 mit der Schulleitung, das Eppelheimer Gymnasium nach dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer zu benennen. Dieser hatte 1945 seinen entschlossenen, christlich motivierten Widerstand gegen das NS-Regime mit seinem Leben bezahlt.

Bonhoeffers Lebenshaltung war 2006 Thema der Projekttage zu seinem 100. Geburtstag: zu eigenständigem Urteilen und Handeln gelangen, eine freie und verantwortliche Weltsicht erringen und der Menschenfeindlichkeit mutig entgegentreten, sei es im Namen Gottes, sei es im Namen der Humanität.

Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) ist ein vorbildlicher Schüler. Er macht mit 17 Jahren Abitur, promoviert mit 21 und habilitiert sich mit 24 Jahren. Er ist diszipliniert und zielstrebig, ein sehr guter Sportler und kann hervorragend Klavier spielen. Doch dies hätte wohl kaum ausgereicht, um unsere Schule Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium zu nennen. Mit Sicherheit wollte man an einen Menschen erinnern, der in der unmenschlichen Zeit des Nationalsozialismus den Mut und die Fähigkeit hatte, sich dem Regime zu widersetzen.

Als die Nationalsozialisten am 7. April 1933 den Arierparagraphen einführen, werden Beamte jüdischer Herkunft aus dem Dienst entlassen. Selbst innerhalb der Kirche werden evangelische Pfarrer diskriminiert, die im Sinne des nationalsozialistischen Rassengesetzes „Judenchristen“ sind. Zu einem Protest in der Bevölkerung gegen die Diskriminierung der Juden kommt es kaum. Als einer der wenigen wendet sich Dietrich Bonhoeffer gegen die Rassenideologie. Die Kirche muss – nach Bonhoeffer – den Staat nach der Rechtmäßigkeit seines Handelns fragen und den Opfern des Staates beistehen. Als letzte Konsequenz sieht er die Kirche sogar gezwungen, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“.
Mit diesen mutigen Thesen wendet er sich nicht nur gegen das Hitler-Regime, sondern auch gegen die stillschweigende Mehrheit in Deutschland. Der engagierte Christ Bonhoeffer wird Leiter der Pfarrerausbildung der Bekennenden Kirche. Als die Ausbildung verboten wird, arbeitet er illegal weiter. Bald gerät Bonhoeffer in Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Er will jedoch kein Soldat werden, das verbietet ihm sein christliches Gewissen. Er kann dem Wehrdienst entgehen, da er in New York einen Lehrauftrag erhält. Zu seiner eigenen Überraschung darf Bonhoeffer ausreisen. Schon nach wenigen Wochen entschließt sich Bonhoeffer, wieder nach Deutschland zurückzufahren. In einem Brief schreibt er am 21. Juni 1939:

„Es war ein Fehler von mir, nach Amerika zu kommen. Ich muss diese schwierige Periode unserer nationalen Geschichte mit den Christen in Deutschland durchleben. Ich werde kein Recht haben, an der Wiederherstellung des christlichen Lebens nach dem Kriege in Deutschland mitzuwirken, wenn ich die Prüfungen dieser Zeit nicht mit meinem Volk teile.“

Hier zeigt sich der zentrale Gedanke seiner Ethik: Verantwortung. Bonhoeffer weiß zwar, dass einerseits jeder Mensch für sich selbst verantwortlich ist, er aber andererseits immer in einem sozialen Kontext lebt, sodass Selbstverantwortung immer auch Verantwortung für andere bedeutet. Jederzeit muss ein Mensch Entscheidungen treffen und dabei seine Fähigkeiten, seine Grenzen und die Konsequenzen seines Tuns im Blick haben. Bonhoeffer entscheidet daher, nach Nazideutschland zurückzukehren, um seinen Freunden beizustehen und sich nicht der Verantwortung zu entziehen.

Zurück in Deutschland arbeitet er nun offiziell für das Regime als Agent der militärischen Abwehr. Dies erspart ihm den Wehrdienst und ermöglicht ihm viele Reisen ins Ausland. Tatsächlich beginnt mit dieser Tätigkeit aber Bonhoeffers Mitarbeit im Widerstand und an den Attentatsplänen auf Hitler. Er informiert das Ausland über einen geplanten Staatsstreich und bittet um Unterstützung. Ausgerechnet Bonhoeffer, der in seinem Buch „Nachfolge“ für einen radikalen Pazifismus und die Feindesliebe eintritt, der Mahatma Gandhi verehrt und Krieg als „Sünde“ bezeichnet, stimmt nun einem Attentat, einem Mord zu. Bonhoeffer weiß, dass er am Tod vieler Menschen mitschuldig werden wird, wenn er das mörderische Regime nicht zu stürzen versucht. An einem Tyrannenmord mitzuwirken, macht jedoch auch schuldig, da Gott sagt, „Du sollst nicht töten“. Aber ihm ist klar, dass aus dieser persönlichen Entscheidung niemals ein absolutes Prinzip werden darf. Eine solche Gewalttat ist und bleibt eine Tabuverletzung. In dieser schwierigen Situation bleibt dem Mensch nur, auf die Vergebung Gottes zu hoffen.

Als sein Schwager Hans von Dohnanyi, einer der Drahtzieher des 20. Juli 1944 verhaftet wird, kommen die Nazis Bonhoeffer auf die Spur. Am 5. April 1943 wird Dohnany verhaftet. Wie alle anderen Gefangenen muss er die Bombenangriffe auf Berlin in seiner Zelle durchleben, da es für sie keine Luftschutzkeller gibt. Obwohl Bonhoeffer selbst oft unsicher ist und an Ängsten leidet, wird er zum Halt für seine Mitgefangenen. Das berühmt gewordene Gedicht Wer bin ich von 1944 gibt einen Einblick in das innere Leben Bonhoeffers.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Vier Wochen vor Kriegsende gibt Hitler persönlich den Befehl zur Hinrichtung Bonhoeffers. Im Morgengrauen des 9. April 1945 wird Bonhoeffer zusammen mit seinen Mitverschwörern zur Hinrichtung in den Hof des Gefängnisses von Flossenbürg gebracht. Bonhoeffer und die anderen Verurteilten müssen sich ausziehen und eine Treppe besteigen, dann wird ihnen der Strick um den Hals gelegt und die Treppe weggezogen.
Bonhoeffers letzte überlieferten Worte sind: „Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.“

Text: Harald Schneider

Quellen:
Renate Wind: Dem Rad in die Speichen fallen, Gütersloh 2009
Vortrag von Prof. Dr. Hartmut Rupp am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium 2006